In den ersten Monaten als Hundefrauchen habe ich so manchen Bockmist gebaut. Damals musste ich meine Vorstellungen von einem Leben mit Hund auf Teufel komm raus umsetzen. Zu diesen Vorstellungen gehörte es, dass ich Rica ohne Leine laufen ließ, wo immer es möglich war. So auch an diesem gewissen Sonntag Nachmittag.
Ich brach mit Rica auf zu einem meiner Lieblingsorte hier in der Umgebung. Natürlich löste ich die Leine vom Halsband, sobald wir in der Natur waren… nur wenige Minuten später traf mich der Schock wie Ein Blitz.
Ich konnte Rica nicht mehr sehen. Ich rief nach ihr, doch nichts geschah. Meine kleine Hündin (36 cm Schulterhöhe) war im hohen Gras verschwunden. Mir rutschte das Herz in die Hose. Ich war so wütend auf mich selbst und fluchte innerlich wie ein Rohrspatz: „Wie konntest du nur so dumm sein, Bettina”, war noch das Harmloseste, was ich mir in diesem Moment selbst an den Kopf warf. Zur Wut kam noch die Angst. Was, wenn sie sich dort irgendwo mit ihrem Halsband verheddert oder den Weg nicht mehr zurückfindet? Minuten vergingen, die mir wie Stunden vorkamen. Schließlich tauchte Rica wieder auf und „grinste” mich frech an. Ich war nur froh, dass ich sie wieder hatte. Das hätte auch gewaltig schiefgehen können.
Hunde büxen gern mal aus
Viele Jahre später – genau genommen im Herbst 2023, hatte ich ein Dejà Vu. Ich war mit meinen zwei Hunden unterwegs, als ich schon von Weitem einen freilaufenden Hund sah, der geradewegs auf uns zu gerannt kam. Ich hatte nur einen Gedanken: Ich musste Bobby, der alt und krank war abschirmen, denn er hatte es gar nicht gern, von anderen Hunden bedrängt zu werden. Es gelang mir, den „Besucher” abzulenken. Wenige Minuten Später tauchte auch die dazugehörige Hundehalterin auf. Sie entschuldigte sich bei mir und meinte: „Sie entfernt sich immer so weit von mir, so schnell komme ich gar nicht hinterher.”
Wie ich natürlich inzwischen weiß, können Hunde lernen, in der Nähe des Menschen zu bleiben. Sie können sogar lernen, den Weg nicht zu verlassen. Ich habe dir heute zwei Übungen aus dem Werkzeugkoffer des „positiven” Hundetrainings mitgebracht mit denen du deinem Hund vermitteln kannst, dass es sich lohnt, sich nicht all zu weit von dir zu entfernen.
Welche Möglichkeiten gibt es?
Zur Verdeutlichung machen wir zunächst einen kleinen Ausflug in die Lerntheorie. Wenn du deinem Hund etwas Neues beibringen möchtest, hast du folgende Möglichkeiten:
- Du konzentrierst dich auf das, was dien Hund gut und richtig macht und belohnst ihn dafür. – Verhalten tritt häufiger auf.
- Du siehst nur das, was er nicht tun soll und bestrafst ihn dafür. – Verhalten tritt seltener auf.
In meinem Verständnis für freundliches und faires Hundetraining sollte nach Möglichkeit nur die erste Variante in Betracht kommen. Wie aber kannst deinem Hund belohnungsbasiert vermitteln, das er etwas nicht tun soll? Die Antwort ist gar nicht so schwer.
All you have to do is Umdenken.
In deinem Kopf sind vermutlich folgende Gedanken:
- Mein Hund soll den weg nicht verlassen
- Mein Hund soll nicht so weit von mir wegrennen.
Denke stattdessen:
- Mein Hund soll auf dem Weg bleiben
- Mein Hund soll in in meiner Nähe bleiben
Erkennst du den Unterschied? Wenn du weißt, was dein Hund tun soll, wirst du auch erkennen, worauf du dich im Training konzentrieren musst und welche Aktionen deines Hundes du belohnen wirst.
Vorteile des Trainings über Belohnungen
Erinnere dich einmal an deine Schulzeit zurück. Bei den Lehrer:innen gab es solche, die ihre Schüler motiviert und gelobt haben, und es gab diejenigen, die immer was zu meckern hatten. Bei welchen Lehrer:innen hattest du mehr Freude am Unterricht?
Bei unseren Hunden ist es nicht anders: Wenn wir sie im Training motivieren und für ihr richtige Verhalten positives Feeback in Form von Lob oder Belohnung geben, fühlen sie sich wohl in der Lernsituation, haben mehr Freude an den Übungen und lernen schneller. Zudem stärken wir mit positiven Feedback das Vertrauen und somit auch die Beziehung zu unseren Hunden.
Zwei Übungen und die Unterschiede
Der Barrieremarker
Bei dieser Übung lernt dein Hund Schritt für Schritt, eine imaginäre Barriere nicht zu übertreten und somit den Weg nicht zu verlassen.
Radiustraining
Beim Radiustraining lernt dein Hund, in einem bestimmten, von dir festgelegten Unkreis zu bleiben. Dabei ist es egal, ob er den Weg verlässt, vor, neben oder hinter dir läuft.
Der Barrieremarker
Wie der Name schon sagt, bauen wir beim Hund eine Barriere mithilfe eines Markersignals auf. Der Hund lernt vor der Barriere zu stoppen und darf diese nicht übertreten.
Voraussetzungen
Übe in einem Gebiet, wo der Übergang zwischen Weg und Wiese/Feld auch für den Hund gut erkennbar ist. Gegenden, wie auf dem Bild dargestellt eigenen sich hervorragend zum Üben. Nimm deinen Hund an die Leine, denn während des Trainings sollte der Grenzbereich zwischen Weg und Wiese nicht übertreten werden.
Eine weitere Voraussetzung für dieses Training ist, dass du ein Markersignal aufgebaut und in dein Training und deinen Alltag fest integriert hast. Alle wichtigen Informationen zum Training mit Clicker oder Markerwort findest du hier.
Übungsaufbau
- Suche dir eine Stelle, an der ihr üben wollt.
- Gehe mit deinen Hund nah an den Wegesrand heran. Achte aber drauf, dass er ihn nicht übertritt. Sobald der Hund ganz nah am Wegesrand ist, gibst du das Markersignal und fütterst deinen Hund weg vom Wegesrand (siehe Abbildung unten).
- Wiederhole die Übung mehrfach an derselben Stelle.
- Bereits nach wenigen Wiederholungen wird dein Hund kurz vor dem Wegesrand innehalten, weil er sein Markersignal erwartet. Das ist ein Zeichen, dass er beginnt zu verstehen, worum es geht. Du kannst nun zum nächsten Schritt übergehen.
- Gehe mit deinem Hund ein kleines Stück weiter und übe an anderer Stelle. Fange hier wieder bei Schritt 2 an. Arbeite dich so am Weg weiter entlang.
- Wenn die Übung sehr gut klappt, kannst du damit beginnen, für diese ein Wortsignal einzuführen. Gib dazu das Signal, wenn dein Hund sich kurz vor der Barriere befindet.
Stolpersteine
Dein Hund übertritt den Wegesrand
Das kann gerade bei den ersten Versuchen passieren. Starte einfach nochmal neu.
Dein Markersignal kam zu spät
Shit happens! Bei einem versehentlich gesetzten Markersignal hat der Hund noch nichts falsches gelernt. Beobachte deinen Hund genau und versuche dein Timing zu verbessern.
Dein Hund nimmt kein Futter
Wenn der Hund kein Futter nehmen kann, ist er sehr gestresst. Unterbreche dein Training. Lass deinen Hund erst mal schnuppern, etwas im Gras suchen oder was immer ihm in einem solchen Moment guttut. Und wenn es heute nichts wird mit Training: Morgen ist auch noch ein Tag.
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Radiustraining
Bei dieser Übung wirst du deinem Hund durch Feedback verständlich machen, wie weit er sich von dir entfernen darf. Den Radius, in dem der Hund sich dabei bewegt, bestimmst du.
Voraussetzungen
Nimm deinen Hund zum Üben an eine lange Schleppleine. 10 Meter sind zum Üben in Ordnung. Vielleicht hast du auch die Möglichkeit, in einem eingezäunten Gebiet zu üben. Dort könntest du die Leine auch weglassen.
Eine weitere Voraussetzung ist auch hier ein gut aufgebautes und alltagssicheres Markersignal.
Übungsaufbau
- Dein Hund ist bei dir, du lässt ihn das tun, was er gern möchte. Er darf vor, neben oder hinter dir laufen. Lass ihn sich ruhig ein Stück von dir entfernen. Wenn er noch in dem von dir festgelegten Umkreis ist, gibst du das Markersignal. Da dein Hund das kennt wird er es auch wahrnehmen. Lobe deinen Hund und wirf ihm eine Belohnung zu.
- Wiederhole die Übung mehrfach hintereinander
- Durch ständige Wiederholen und Üben an verschiedenen Orten wird dein Hund von sich aus aufmerksamer werden, sich bald freiwillig öfter nach dir umsehen und schließlich in dem Radius bleiben, den du bestimmt hast.
- Wenn dein Hund schon zuverlässig in deiner Nähe bleibt und sich dir in regelmäßigen Abständen zuwendet, kannst du auch hier damit beginnen, ein Wortsignal einzuführen.
Stolpersteine
Dein Hund entfernt sich zu weit
Wenn dein Hund zu schnell sehr weit weg läuft und deine Signale nicht mehr wahrnimmt, hat er vermutlich etwas spannendes entdeckt, dem er unbedingt nachgehen muss. Behalte deinen Hund während des gesamten Trainings besonders im Auge, versuche zu handeln, bevor er auf „Autopilot” schaltet und nicht mehr ansprechbar ist. Gib das Markersignal beim nächsten Mal früher. Führe deinen Hund an einer Schleppleine, auch wenn du dich in einem Gebiet befindest, wo er nicht weglaufen kann.
Dein Hund reagiert nicht auf den Marker
Dein Hund ist sehr stark abgelenkt und hat dich und deine Signale ausgeblendet. Gehe im Training noch einmal einen Schritt zurück und übe gezielt an der freiwilligen Orientierung deines Hundes. Dazu führst du deinen Hund an der Leine und beobachtest, was er tut. Jedes Zuwenden zu dir, das er von sich aus zeigt, bestätigst du mit dem Markersignal und einer hochwertigen Belohnung.
Dein Hund kann kein Futter nehmen
Wie bereits im Abschnitt zum Barrieremarker beschrieben, kann es auch hier passieren, dass dein Hund kein Futter nehmen kann. Lass deinen Hund dann erst mal ausgiebig schnuppern oder starte ein Suchspiel.
Schlusswort
Hätte ich vor gut 13 Jahren diese beiden Übungen schon gekannt, wäre mir viel Ärger und Angst erspart geblieben, denn Rica ist mir damals nicht nur einmal davon gelaufen. Aber man lernt ja bekanntlich nie aus. 🙂
Der Barrieremarker und das Radiustraining sind beste Beispiele dafür, Hunden auf freundliche und faire Weise Grenzen zu setzen. Durch Wiederholung und das positive Feedback über das Markersignal werden sie mit der Zeit aufmerksamer werden und gern in der Nähe des Menschen bleiben.
Schreibe einen Kommentar: Ist dein Hund schon einmal weggelaufen? Wie hast du ihm beigebracht, in deiner Nähe zu bleiben?
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