“Es ist unmöglich für meinen Hund, allein zu sein”. In diesem Jahr habe ich viele Anfragen zu diesem Thema erhalten. Die Hundehalter haben verschiedene Probleme geschildert, von Heulen und Bellen, sobald der Mensch das Haus verlässt, bis hin zu Unsauberkeit und Zerstörung von Gegenständen. In diesem Artikel möchte ich dir die wichtigsten Informationen zum Thema Trennungsangst geben und dir zeigen, wie du deinem Hund helfen kannst.
Trennungsstress ist normal
Bitte was? – Ja, du hast richtig gelesen. Ich bin der Ansicht, dass Trennungsstress normal ist. Du wirst gleich verstehen, warum ich das so sehe. Lass uns nun ein bisschen tiefer in das Thema einsteigen.
Der Hund ist wie kein anderes Tier in der Lage, soziale Beziehungen zu Menschen einzugehen. Diese Beziehung fördern wir, indem wir uns mit unserem Hund beschäftigen und seine essentiellen Bedürfnisse wie Nahrungsaufnahme, Ruhebedürfnis oder Umwelterkundung erfüllen. Die logische Folge einer starken Bindung ist Unwohlsein, wenn der Sozialpartner Mensch plötzlich nicht mehr da ist.
Auch wir Menschen empfinden negative Emotionen, wenn wir von einem geliebten Familienmitglied oder Freund getrennt sind. Im Gegensatz zum Hund verstehen wir aber, dass der/die Freund:in oder das Familienmitglied zu uns zurückkehrt.
Was passiert, wenn der Hund allein gelassen wird?
Für einen Hund, der ohne vorheriges Training plötzlich allein bleiben muss, stürzt eine Welt ein. Er wird zunächst aufmerksam. “Irgendwas stimmt da nicht.” Er beginnt im Haus umherzulaufen und den Menschen zu suchen. Natürlich hat er damit keinen Erfolg, und so beginnt er, nach Herrchen oder Frauchen zu rufen, indem er jault, fiept oder bellt. Die Lautäußerungen können in unterschiedlicher Intensität gezeigt werden.
Auch diese Versuche, seinen Sozialpartner zurückzuholen, werden scheitern. Beim Hund baut sich Stress auf, da er ja nicht weiß, dass seine Bezugsperson bald wieder kommt. Das was der Hund in diesem Moment durchlebt, ist sehr schlimm. Hast du schon einmal Heimweh gehabt? Dann kannst du dir in etwa vorstellen, wie es einem Hund geht, der seine(n) Sozialpartner schmerzlich vermisst.
Wie der Stress kompensiert wird, ist von Hund zu Hund unterschiedlich. An folgenden Verhaltensweisen deines Hundes kannst du erkennen, dass er mit dem Alleinsein ein Problem hat:
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Lautäußerungen wie bellen, jaulen, knurren oder fiepen
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unruhiges umherlaufen
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sich meist in der Nähe der Eingangstür aufhalten. Gegen die Tür springen
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Zerstörung von Gegenständen wie etwa das Umwerfen von Blumentöpfen oder Zerstören von Polstermöbeln. Auch werden gern persönliche Gegenstände des Hundehalters zerkaut, da diese dessen Geruch tragen.
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Absetzen von Urin und/oder Kot, häufig im Bereich der Eingangstür
Hat jeder Hund Probleme mit dem Alleinbleiben?
Jeder Hund sollte mit kleinschnittigem Training daran gewöhnt werden. Es gibt Hunde, die nach nur wenigen Trainingseinheiten problemlos allein bleiben können. Andere wiederum brauchen eine wochenlange Vorbereitung, bis der Mensch das erste Mal auch nur für wenige Minuten das Haus verlassen kann. Weitere Faktoren für die Entstehung von Trennungsstress sind genetische Veranlagung, Lernerfahrung und die Entwicklung des Hundes. Auch das Alter spielt eine Rolle.
Selbst Hunde, die bisher keinerlei Probleme damit hatten, alleine zu bleiben, können plötzlich unter Trennungsstress leiden. Besonders wenn sich ihre Lebensumstände verändert haben, z. B. durch einen Umzug.
Falsche Glaubenssätze
Du schließt die Haustür auf, doch anstatt gemütliche Räume erwartet dich ein Schlachtfeld: Umgekippte Blumentöpfe, geschredderte Zeitschriften, zerfetzte Schuhe und im Flur befindet sich eine Pfütze. Mittendrin dein Hund mit destruktiver Körperhaltung, wie ein Häufchen Elend. Es ist verständlich, dass du darüber alles andere als erfreut bist. Du denkst dir: “Das hat er jetzt mit Absicht gemacht, weil ich ihn nicht mitgenommen habe. Und so wie er dasitzt, kann er nur ein schlechtes Gewissen haben.” Diese Gedanken machen dich noch wütender, als du ohnehin schon bist, und du beginnst mit deinem Hund zu schimpfen.
Der Hund ist dominant, macht bestimmte Dinge mit Absicht, nur um den Menschen zu ärgern. Noch immer sind diese Ansichten weit verbreitet. Doch sie sind längst widerlegt und damit schlicht und ergreifend falsch. Falsche Dinge werden nicht richtig, indem man sie ständig wiederholt! Du tust also gut daran, dich von solchen Glaubenssätzen zu verabschieden, auch wenn sie dir in deinem Umfeld noch so häufig vorgebetet werden. Zudem öffnet ein derartiges Mindset Tür und Tor für aversive Problemlösungsansätze.
Doch wenn du mit deinem Hund schimpfst und ihn danach womöglich zur Strafe stundenlang ignorierst, machst du es nicht besser. Im Gegenteil: Neben dem Stress, den dein Hund durch deine Abwesenheit durchlebt, muss er nun noch Angst vor deiner Reaktion haben. Auf lange Sicht wird diese Herangehensweise das Problem eher verschlimmern und die Mensch-Hund-Beziehung nachhaltig stören.
Es ist verständlich, dass du verärgert bist, wenn dein Hund deine Wohnung “umdekoriert”. Aber ein Hund, der das tut, leidet sehr. Versetze dich in die Lage deines Hundes. Mache dir bewusst, wie schlecht es ihm geht. Dies ist ein erster Schritt, um mit der Situation anders umzugehen.
Hund allein Zuhause – Problemen vorbeugen
Hat sich ein Verhalten erst einmal über einen längeren Zeitraum gefestigt, ist es nicht einfach, dieses wieder aufzulösen. Ich empfehle daher, mit dem Hund bereits in den ersten Wochen das allein bleiben kleinschrittig zu üben. Das gilt sowohl für den Welpen als auch für den erwachsenen Hund. Auch wenn du jetzt denkst: “Bei mir ist immer jemand da, der sich um den Hund kümmert”, sollte dein Hund daran gewöhnt sein, dass auch mal niemand da ist. Es kann immer einmal Situationen geben, wo der Hund eben doch allein bleiben muss. Ihn dann zurückzulassen, obwohl er es gar nicht kennt, ist keine gute Idee.
Um deinen Hund an das Alleinsein zu gewöhnen, schaffst du zunächst einen geregelten Tagesablauf, in dem sich Beschäftigung und Ruhephasen abwechseln. In einer Ruhephase setzt du mit dem Training an, denn der Hund soll ja lernen entspannt allein zu bleiben.
Dein Hund liegt beispielsweise auf seiner Decke und döst vor sich hin. Nun bleib im selben Raum, richte deine Aufmerksamkeit aber auf andere Dinge. Lies ein Buch, arbeite am Laptop, schau ein Video oder was auch immer. Wenn dein Hund dabei ruhig ist, kannst du auch mal aufstehen, durch den Raum gehen und dich wieder setzen.
Dein Hund verhält sich ruhig, denn kannst du nun den Raum für kurze Zeit verlassen. Lass aber die Tür dabei offen. Diese zu schließen, wäre erst der nächste kleine Schritt. Dich in anderen Bereichen der Wohnung zu bewegen, wäre ein weiterer Schritt. So arbeitest du dich stück für Stück voran.
Wenn dein Hund entspannt allein bleiben kann, während du dich durch sämtliche Räume bewegst, kannst du damit beginnen, die Wohnung für kurze Zeit zu verlassen. Diese Zeiten dehnst du dann schrittweise weiter aus.
Gib deinem Hund Erwartungssicherheit
Mache es deinem Hund leichter zu unterscheiden, wann ihr gemeinsam rausgeht und wann er nicht mit darf. Das geht ganz einfach, indem du deinem Hund die Gassigänge mit einem Wortsignal ankündigst. Bei uns z. B. heißt das “ausgehen”. Bleibt dieses Signal aus, bleibt der Hund zuhause. Diese Unterscheidung ist für das Training sehr hilfreich.
Training – wenn der Hund nicht allein bleiben kann
Wenn du dir jetzt vorgenommen hast, das Thema Trennungsstress bei deinem Hund anzugehen, solltest du einige Dinge beachten.
Da das Training sehr kleinschrittig durchgeführt werden muss, kann es sehr lange dauern. Plane dafür mindestens zwei Monate ein. Während der Trainingszeit solltest du deinen Hund möglichst nicht allein lassen, was wahrscheinlich die größte Herausforderung darstellt. Doch jedes tatsächliche Alleinlassen wird euch in eurem Training wieder zurückwerfen. Versuche daher, immer eine Betreuung für deinen Hund zu organisieren. Vielleicht kannst du im Homeoffice arbeiten, hast Nachbarn oder Freunde, die mal auf den Hund aufpassen können oder kennst eine gute Tagesbetreuung, wo dein Hund während deiner Abwesenheit Zeit verbringen kann.
Ich helfe dir gern!
Wenn online Training für dich infrage kommt, oder du in Bad Oldesloe oder Umgebung wohnst, helfe ich dir gern, um deine Herausforderungen mit deinem Hund zu meistern. Nimm gern Kontakt mit mir auf, wenn du weitere Informationen wünschst.
Wohlfühlort
Wie die Bezeichnung schon sagt, sollte der Wohlfülort so gestaltet sein, dass der Hund ihn gern und freiwillig aufsucht. Geeignet sind ein Hundebett, ein Platz auf dem Sofa, eine Decke oder eine Box.
Um Entspannung zu lernen, sollte dein Hund von sich aus einen Platz aufsuchen und dort ruhen. Du kannst ihn dabei unterstützen, indem du diesen Platz mit positiven Dingen verknüpfst. Ein Kong, den der Hund gerne mag oder eine Massage, wenn er sich gerne streicheln lässt, eignen sich sehr gut dafür.
Kann dein Hund schon für längere Zeit auf seinem Platz entspannen? Dann kannst du langsam mit dem nächsten Schritt beginnen.
Auszeit
Diese Übung ist die eigentliche Vorbereitung auf die Trennung, denn nun wirst du damit beginnen, deinen Hund schrittweise zu ignorieren. Nachstehend die einzelnen Schritte:
Kündige deinem Hund die Auszeit an. Dazu eignet sich ein optisches oder akustisches Signal, das während der gesamten Dauer der Auszeit für den Hund präsent ist. Das kann z. B. ein bestimmtes Handtuch sein, das am Türknauf hängt, ein Gegenstand, der im Sichtfeld des Hundes platziert wird oder Entspannungsmusik. Wenn die Auszeit vorüber ist, wird der Gegenstand entfernt oder die Musik ausgeschaltet. So weiß der Hund, dass sein Mensch jetzt wieder für ihn da ist.
Auszeit heißt, dass du für deinen Hund nicht verfügbar bist. Das bedeutet: kein Ansprechen, kein anschauen und erst recht kein Streicheln. Du bleibst bei deinem Hund im gleichen Raum, gehst aber deinen eigenen Dingen nach. Mache es dir mit einem Buch gemütlich, beantworte Nachrichten am Smarphone, arbeite am Laptop oder Ähnliches.
Wichtig ist, dass du in sehr kleinen Schritten vorgehst. So dauert deine erste Auszeit nur wenige Minuten. Steigere die Dauer sehr langsam.
Stolpersteine
Es kann passieren, dass dein Hund während der Auszeit von seinem Platz aufsteht und zu dir kommt. Schicke ihn dann nicht wieder auf seinen Platz zurück, sondern beende die Auszeit sofort. Das Verhalten deines Hundes ist ein Zeichen dafür, dass du zu schnell vorgegangen bist. Beende beim nächsten Mal die Auszeit früher.
Verlassen des Raumes
Wenn dein Hund länger ohne deine Zuwendung entspannt bleiben kann, kannst du langsam damit beginnen, den Raum zu verlassen. Bleibe aber noch in der Wohnung und dehne auch hier wieder die Dauer deiner Abwesenheit schrittweise aus.
Verlasse die Wohnung
Dein Hund bleibt entspannt, wenn du nicht mit ihm im gleichen Rau bist und dich durch die Wohnung bewegst. Er läuft dir nicht hinterher. Jetzt ist die Zeit gekommen, die Wohnung nur für wenige Minuten zu verlassen. Auch diese Dauer steigerste du schrittweise.
Wenn du die Wohnung verlässt, empfehle ich dir, deinen Hund während deiner Abwesenheit zu filmen. Sein Verhalten gibt Aufschluss darüber, ob er wirklich mit der Situation klar kommt. Wird er unruhig oder zeigt sogar Symptome von Trennungsstress, solltest du im Training wieder einen Schritt zurückgehen.
Bitte rechne auch damit, dass es beim Training auch mal zu Rückschlägen kommen kann. Lasse dich dadurch aber nicht entmutigen.
Wohlbefinden stärken
Ich verfolge einen ganzheitlichen Trainingsansatz. Das bedeutet, dass ich mir den Hund und sein Lebensumfeld insgesamt anschaue. Ein wichtiger Aspekt meines Trainings ist, insbesondere bei Strss- und Angstproblematiken, auf der anderen Seite das Wohlbefinden des Hundes zu stärken. Ein Hund der sich wohl fühlt, wird besser mit Stress zurechtkommen und Fortschritte im Training werden sich schneller erzielen lassen.
Schlusswort
Obwohl das Alleinsein in der Natur des Hundes nicht vorgesehen ist, ist es möglich, den Hund durchaus mal für mehrere Stunden allein zu lassen. Dies sollte jedoch nicht ohne vorheriges Training geschehen. Beginne mit dem Training am besten schon kurze Zeit, nachdem dein Hund bei dir eingezogen ist, um ihm frühzeitig beizubringen, mit deiner Abwesenheit klarzukommen.
Ist es bereits zu Problemen beim Alleinsein gekommen, kannst du deinem Hund mit einem durchdachten kleinschnittigen Training helfen. Ich empfehle dir, dich von einer Trainerin oder einem Trainer unterstützen zu lassen. Auch ich stehe dir gern zur Verfügung, wenn dein es deinem Hund schwerfällt, allein zuhause zu bleiben.
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