Die Bedeutung von Empathie im Umgang mit dem Hund

von | 29.03.2024

Vor ein paar Tagen brach ich wie gewohnt mit meiner Hündin Rica zur Mittagsrunde auf. Ich genieße die Spaziergänge mit ihr immer sehr. So war ich auch diesmal voller Vorfreude. Auf halber Strecke unseres Weges kam uns eine Frau mit ihrem Hund entgegen. Bereits als ich die beiden sah, nahm ich Rica an die Seite, die dem anderen Hund abgewandt war. Das mache ich immer so, wenn uns ein Hund entgegenkommt, den ich nicht kenne. Als der andere Hund Rica bemerkte, knurrte er, bellte und sprang in die Leine. Die Halterin reagierte, indem sie ihrem Hund das Wort „Nein!” in Dauerschleife entgegen feuerte, ihren kleinen Hund mit ihrer Körpermasse einkesselte und ihn am Halsband festhielt. Der Hund wandt sich unter ihrem Griff…

Begegnungen solcher Art kommen leider ständig vor. Sie machen mich traurig, wütend, nachdenklich – je nach Tagesform. Jedes Mal gehen mir dieselben Fragen durch den Kopf:

  • Warum gehen Menschen derart schroff mit ihren Hunden um?
  • Warum versetzen sie sich nicht einfach mal in die Lage ihres Vierbeiners?
  • Würden sie das, was sie gerade mit ihrem Hund machen auch mit ihren Kindern tun?
  • Warum sind sie scheinbar zu bequem, sich zumindest ein Grundgerüst an Wissen anzueignen?

Ich erkenne in letzter Zeit einen Trend hin zu Erziehungsmethoden, die auf Druck und Bestrafung basieren. Offenbar sind Menschen wieder vermehrt bereit, aversive Maßnahmen zu ergreifen, also Dinge zu tun, die den Hund einschüchtern, ihn erschrecken oder Schmerzen verursachen.  Dieser Trend beunruhigt mich sehr.

Menschen sind überfordert

Hunde sind toll, und wer kann beim Anblick großer dunkler Knopfaugen schon widerstehen? Oftmals zu schnell ist die Entscheidung für den Einzug eines Vierbeiners getroffen. Man sieht alles durch eine rosarote Brille, träumt von entspannten Spaziergängen, ausgelassenem Spiel und Kuschelstunden auf dem Sofa an trüben Tagen.

Die Ernüchterung kommt spätestens dann, wenn der „gerettete” Hund aus dem Ausland eben nicht dankbar ist und seinem neuen Menschen zur Begrüßung erst mal in die Hand schnappt. Oder der neun Wochen alte Welpe Dinge zerstört, ständig bellt oder in die Wohnung pinkelt. 

Hundehaltung bedeutet in erster Linie Verantwortung und oftmals auch Einschränkung. Aber darüber machen sich viele Menschen vor der Anschaffung scheinbar kaum Gedanken.

Erwartungen vs. Realität

„Unser Hund ist jetzt vier Wochen bei uns. Er macht Theater, wenn wir ihn allein lassen wollen. Er muss es aber können, weil wir jetzt wieder zur Arbeit müssen.” Anfragen dieser Art bekomme ich häufig. Wenn ich dann wissen möchte, wie das Allein bleiben bisher geübt wurde. Bekomme ich meist die Antwort: „Gar nicht.” 

So kann es aber nicht funktionieren! Doch immer mehr Menschen hätten am liebsten, dass ihr Hund vollständig erzogen und maßgeschneidert an die jeweilige Lebenssituation angepasst bei ihnen einzieht. Hunde brauchen Zeit, sich einzugewöhnen, sich an ihr neues Leben anzupassen. Das ist ein Lernprozess, und Lernprozesse geschehen nun mal nicht von heute auf morgen.

Hinzu kommen noch die „klugen” Ratschläge, die aus dem Umfeld der frisch gebackenen Hundehalter:innen kommen, die für weiteren Druck sorgen. Beim Thema Hunde scheint jeder mitreden zu können, egal ob er oder sie schon jemals einen Hund gehalten hat oder nicht. Aussagen wie: „So wird das nie was.” oder „Setz dich mal richtig durch.” tragen nicht gerade zur Verbesserung der Gesamtsituation bei.

Überforderung geht mit einem gewissen Leidensdruck einher, mit der Folge, dass oft nach schnellen Lösungen gesucht wird. Das haben auch gewisse „Expert:innen” in der Hundeszene erkannt und machen es sich durch geschicktes Marketing zunutze.

Im Dschungel der Trainingsmethoden

Hundeschulen gibt es wie Sand am Meer, und genauso unterschiedlich sind die Meinungen und Arbeitsweisen von Hundetrainer:innen. Da es keine Anforderungskriterien gibt, was ein:e Hundetrainer:in können muss, sind die Unterschiede bei der Qualifikation sehr deutlich. Für einen Menschen, der gerade seinen ersten Hund bekommen hat, sind diese Unterschiede nicht erkennbar, denn niemand wird auf seiner Internetseite schreiben, dass er die Hunde anbrüllt oder körperlich bedroht, wenn sie die Übungen nicht richtig ausführen. Im Gegenteil: Da wird ein Leinenruck als „Leinenimpuls” verkauft oder mit angeblich neuartigen Konzepten gelockt, die Versprechen, dass der Hund innerhalb von wenigen Stunden keine Probleme mehr macht.

Hat sich ein:e Hundeanfänger:in nun endlich für eine Hundeschule entschieden und ist an eine:n Trainer:in geraten, der/die aversiv arbeitet, schleicht sich zwar meist ein ungutes Bauchgefühl ein, wenn an der Leine geruckt, der Hund auf den Boden gedrückt, er in schwierigen Begegnungen mit anderen Hunden sich selbst überlassen oder mit Schreckreizen gearbeitet wird. Doch in den meisten Fällen werden die Anweisungen der Trainer:innen befolgt. Schließlich ist es deren Beruf, und sie müssen wissen was sie tun. So jedenfalls ging es mir 2011 mit meiner ersten Hundetrainerin.

Doch wie können insbesondere Hundeanfänger:innen erkennen, welche Art des Hundetrainings gut ist und welche nicht? Meiner Meinung nach geht das nur, indem sie sich selbst so viel Wissen wie möglich aneignen und sich bei jeder noch so Erfolg versprechenden Trainingsmethode die Frage stellen: Wie geht es meinem Hund damit?

Mehr Empathie für unsere Hunde

Empathie bedeutet, sich in einen anderen einfühlen zu können, sich in dessen Lage zu versetzen und Mitgefühl zu empfinden. Auch in unsere Hunde können und sollten wir uns hineinversetzen, indem wir uns z. B. fragen: „Was macht es mit dem Hund, wenn ich an der Leine herumreiße?” Wie geht es ihm, wenn ich ihm von oben ins Halsband greife? Was lernt er dabei wirklich?”

Hunde sind denkende und fühlende Lebewesen. Sie können Stress, Angst und Schmerz empfinden. Leider wird das oft übersehen, wenn der Mensch seine Ziele erreichen will oder unter starkem Druck steht. Diese Ausgangslage ist der perfekte Nährboden für Zwang und Strafe im Training. Je größer der Leidensdruck beim Menschen, desto leichter fällt es ihm, den Hund anzuschreien, ihn körperlich zu blocken oder auch mal in die Seite zu zwicken.

Ich bin der Ansicht, das Empathie der Schlüssel zu einem freundlichen und fairen Umgang mit dem Hund ist. Ich gehe einfach mal davon aus, dass niemand möchte, dass es einem Hund schlecht geht.

Die Folgen von Druck und Zwang im Umgang mit dem Hund

Von Rudel und Rangordnung

Obwohl die Theorien von Rudeln und Rangordnungen längst wissenschaftlich widerlegt sind werden diese noch heute von vielen Hundehalter:innen und leider auch Trainer:innen weitergegeben. Danach hat der Mensch die Funktion des Rudelführers und der Hund muss bedingungslos gehorchen. Nach den Vorstellungen dieser Menschen sind unsere Hunde ständig bestrebt, uns die Rudelführerposition streitig zu machen und die Weltherrschaft an sich zu reißen. Aussagen wie, der Hund dürfe nie zuerst durch die Tür gehen, solle erst sein Futter bekommen, nachdem der Mensch gegessen hat oder dürfe niemals im Bett schlafen, basieren auf der Theorie von Rudel- und Rangordnung. Eine solche Denkweise ist der perfekte Ausgangspunkt für einen harten Umgang mit dem Hund.

Vertrauen wird zerstört

Das große Problem ist, dass die meisten, von uns Menschen nicht erwünschten Verhalten arttypische Verhaltensweisen von Hunden sind. Bellen, Buddeln, Jagen und Anspringen beispielsweise sind aus Hundesicht normal. Beantwortet man diese Dinge mit harten Strafen, versteht der Hund die Welt nicht mehr! Das heißt jetzt nicht, dass du deinem Hund erlauben solltest, Spaziergänger anzuspringen oder Radfahrer zu jagen. Aber es gibt andere Wege, ihm dies zu vermitteln, als die “Hau-Drauf-Mehtode”.

Bettina

Ich helfe dir gern!

Wenn online Training für dich infrage kommt, oder du in Bad Oldesloe oder Umgebung wohnst, helfe ich dir gern, um deine Herausforderungen mit deinem Hund zu meistern. Nimm gern Kontakt mit mir auf, wenn du weitere Informationen wünschst.

Wenn der Hund ständig nur gegängelt wird, wird sich das langfristig negativ auf das Vertrauensverhältnis zu seiner Bezugsperson auswirken. Stell dir einfach mal die Frage: Würdest du jemandem Vertrauen, der dich ständig maßregelt und dem du nichts Recht machen kannst? Genauso geht es einem Hund, der immer nur Feedback bekommt, wenn er etwas falsch gemacht hat.

Verhaltensprobleme hausgemacht

Ich bin der Meinung, dass viele Verhaltensprobleme von Hunden, mit denen wir es heutzutage zu tun haben, gar nicht erst entstehen würden, wenn der Mensch seinen Fokus nicht ständig auf die Dinge legen würde, die der Hund falsch macht, sondern sich auf das konzentriert, was er gut und richtig macht. Dieses Mindset führt fast automatisch zu mehr Wohlwollen, Verständnis und einem Umgang, der auf Belohnung beim Lernen basiert.

Kommen wir auf den Hund zurück, von dem ich in der Einleitung erzählt habe. Dieser hat sehr wahrscheinlich schon über einen längeren Zeitraum gelernt: „Wenn ein anderer Hund auftaucht, wird’s ungemütlich.” Er greift auf sein hündisches Normalverhalten zurück, bellt, knurrt und springt in die Leine, um so zum Ausdruck zu bringen, dass er Abstand haben möchte. Er fühlt sich unwohl in der Situation. Doch anstatt mit dem Hund einen Bogen zu laufen und durch das eigene Verhalten Ruhe auszustrahlen, brüllt die Halterin ihn an und maßregelt ihn körperlich. Ein Teufelskreis, denn der Hund, der ohnehin großen Stress in der Hundebegegnung hat, wird zusätzlich auch noch von seinem Frauchen bestraft. Wenn hier nicht bald anders gehandelt wird, ist absehbar, dass das aggressive Verhalten des Hundes zunehmen und sich die Aggression eines Tages schlimmstenfalls sogar gegen die Halterin richten könnte.

Eskalationsleiter Konfliktsignale

Ich werde häufig wegen Angst- und Aggressionsproblemen kontaktiert. Hinterfrage ich dann die Umstände genauer, tritt oft zutage, dass der Hund zumindest irgendwann in seinem (früheren) Leben einmal mit harten Erziehungsmaßnahmen konfrontiert wurde. Dem Hund da herauszuhelfen, ist ein langer und oftmals steiniger Weg.

Was können wir tun?

Wir Hundehalter:innen und Trainer:innen, die mit Hunden fair und freundlich umgehen und auf Basis von Belohnung arbeiten, können und sollten nicht müde werden, Aufklärungsarbeit zu leisen, sowie ich und viele andere Trainerkolleg:innen es bereits tun.

Als Hundehalter:in empfehle ich dir dringend, dir ein Basiswissen vor allem in den Bereichen Lernverhalten und Ausdrucksverhalten von Hunden anzueignen. Je mehr du selbst weißt, desto weniger empfänglich bist du für Trainingsmethoden, die am Hund nichts zu suchen haben.

Wenn dir ein Ratschlag eines anderen Menschen komisch vorkommt, stelle dir immer die Frage: Wie geht es dem Hund dabei? Oder noch deutlicher, würdest du diese oder jene Maßnahme auch bei deinen Kindern umsetzten? 

Schlusswort 

Ich wünsche mir so sehr, dass aversives Training irgendwann der Vergangenheit angehört. Dass die Rudelführer- Rangordnungs- und Dominanztheorien vom Radar der Menschen ein für allemal verschwinden würden. Durch mehr Empathie für unsere Hunde und durch fortlaufende Aufklärung könnte dieser Wunsch eines Tages Wirklichkeit werden.

Schreibe gern einen Kommentar: Hast du bereits mit Strafe im Training gearbeitet, wie ging es dir dabei und welche Auswirkungen hatte das auf deinen Hund?

Bitte Beachte: Das Kommentarfeld ist in erster Linie zur Diskussion Rund um den Blogartikel gedacht. Individuelle Fragen, die deinen Hund betreffen, können hier nicht beantwortet werden. Wenn du Hilfe im Alltag oder bei Problemen mit deinem Hund brauchst, nimmt bitte Kontakt mit mir auf.

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