Ein Schwerpunkt meiner Arbeit als Tierpsychologin und Hundetrainerin besteht darin, Menschen und ihre Hunde aus dem Tierschutz eine Zeit lang auf ihrem gemeinsamen Weg zu begleiten und im Training anzuleiten. Bei einem Hund, der aus einem Tierheim oder aus dem Ausland kommt, stehen die Menschen häufig vor kleinen oder großen Herausforderungen. In diesem Artikel beschäftige ich mich mit 5 häufigen Problemen, die insbesondere bei Hunden aus dem Tierschutz auftreten. Ich gebe dir Erklärungen zu den Hintergründen, erste Lösungsansätze und auch No-Goes mit auf den Weg.
Hund aus dem Tierschutz – warum kommt es oft zu Problemen?
Jede:r, der sich für ein Leben mit Hund entscheidet, hat mehr oder weniger konkrete Vorstellungen, wie dieses Zusammenleben aussehen soll. Dein Kopfkino zeigt dich und deinen neuen Hund, wie ihr gemeinsam durch Wald und Wiesen streift oder an Regentagen zusammen mit der Familie auf dem Sofa kuschelt – der Hund umringt von den Menschen. Du träumst von ausgelassenen Spielen mit dem Hund oder denkst auch schon über Hundesport nach.
Doch wie sagt ein altes Sprichwort: „Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.” Dein neuer Hund ist ängstlich, hat an Aktivitäten gar kein Interesse und findet streicheln richtig blöd. So hast du dir das Zusammenleben mit einem Hund nicht vorgestellt.
Wenn Erwartungen nicht erfüllt werden, sind wir gefrustet, enttäuscht, traurig und manchmal auch wütend. Das ist menschlich und auch vollkommen in Ordnung. Zudem stehst du plötzlich vor Schwierigkeiten, von denen dir keiner vorher gesagt hat, dass sie auftreten können und du nicht weißt, wie du damit umgehen sollst. Im schlechtesten Fall verändert diese Situation deine Einstellung zum Tier. Hast du dich noch vor wenigen Tagen gefreut, es endlich in deinem Zuhause zu haben, verhältst du dich nun eher distanziert und weißt nicht, wie du ihn gegenübertreten sollst.
Die Gute Nachricht. Du bist nicht allein, und es gibt Hilfe.
1. Dein Hund verkriecht sich
Endlich ist es so weit, du kommst mit deinem neuen Hund zuhause an, öffnest die Transportbox … – und nichts passiert. In der hintersten Ecke der Box siehst du ein zusammengekauertes Fellbündel. Es ist nicht mal ansatzweise daran zu denken, dass der Hund die Box verlässt – auch nach mehreren Stunden nicht.
Warum ist das so?
Denke einmal daran, wie es für dich ist, wenn du an einen fremden Ort musst. Ein Umgebungswechsel ist auch für uns Menschen mit mehr oder weniger Anstrengung verbunden. Dein Hund wurde aus seiner vertrauten Umgebung gerissen. Alles ist fremd, nichts mehr wie vorher. Je nach Hundepersönlichkeit und Lernerfahrung kann es vorkommen, dass der Hund überfordert ist und sich zurückzieht.
Das kannst du tun
Gib deinem Hund die Zeit, die er braucht, und wenn es Tage oder Wochen dauert. Stelle ihm sein Futter in die Nähe der Transportbox, und stelle ihm auch immer frisches Wasser bereit. Gehe in gewissen Abständen zu ihm hin und sprich ruhig mit ihm. Beobachte seine Reaktionen. Erschrickt er schon vor deinen Bewegungen, halte mehr Abstand zu seiner Box.
Dein Hund bekommt das Geschehen um sich herum mit. Es wird früher oder später ein Gewöhnungseffekt einsetzen. Der Tag wird kommen, an dem er die Box verlassen wird.
Was nicht funktioniert
Auf keinen Fall solltest du deinen Hund aus seiner Box einfach herausziehen. Auch das Herauslocken mit Futter wird nicht zum Erfolg führen, da ein Hund, der sich verkriecht, Angst hat. Die Box einfach wegzuräumen ist ebenfalls keine gute Idee, denn dann wird dein Hund sich einen anderen Rückzugsort suchen. Einen Hund aus der letzten Ecke hinter dem Sofa hervor zubekommen ist nicht lustig, glaub es mir.
Dein Hund will nicht Gassi gehen
Du hast dich für einen Hund entschieden, und sicher hattest du vor dessen Einzug schon Bilder im Kopf. Bilder von ausgiebigen Spaziergängen mit deinem neuen Vierbeiner. Doch nun hast du die Rechnung ohne deinen Hund gemacht. Dein Hund bleibt stocksteif stehen, sobald ihr das Haus verlassen wollt und macht keinen Schritt vor die Tür. Oder ihr schafft es nach draußen, der Hund geht wenige Meter und verweigert dann jeden Schritt vorwärts.
Warum ist das so?
Wie ich im vorherigen Abschnitt schon erwähnt habe, ist ein Umgebungswechsel für den Hund eine große Herausforderung. Er muss sich zunächst an die neue Wohnung und an die neuen Menschen gewöhnen. Draußen kommt noch mehr Neues auf ihn zu, und wenn du einen sensiblen oder ängstlichen Kandidaten hast, ist er mit den vielen neuen Eindrücken einfach überfordert. Stichwort Reizüberflutung.
Das kannst du tun
Gewöhne deinen Hund in kleinen Schritten an das Spazierengehen. Der erste Schritt kann darin bestehen, die Leine am Geschirr zu befestigen, die Tür zu öffnen und einfach davor stehenzubleiben und den Hund sein Umfeld beobachten zu lassen. Bleibt er dabei ruhig und macht keinen Fluchtversuch, kannst du versuchen, dich in kleinen Schritten nach draußen zu bewegen. Achte dabei aber darauf, wie der Hund es verkraftet und überfordere ihn nicht.
Ich empfehle dir, bei deinem Hund ein Markersignal aufzubauen, damit du schnell und präzise gewünschtes Verhalten belohnen kannst. Zudem kannst du mit dem Markersignal entscheidend dazu beitragen, dass sich die Emotionen deines Hundes verbessern.
Was nicht funktioniert
Zwinge deinen Hund bitte nicht nach draußen, indem du ihn womöglich noch an der Leine hinter dir herziehst. Eine solche Maßnahme wird nicht das Vertrauen deines Hundes in dich stärken. Im Gegenteil…
Dein Hund lässt sich nicht anfassen
Berührungsangst ist eines der häufigsten Probleme, weshalb mich Hundehalter:innen kontaktieren. Machen wir uns nichts vor: Einer der Gründe, warum wir uns Hunde anschaffen ist doch, dass wir sie auch mal streicheln wollen. Wenn der Hund sich nicht anfassen lässt, macht das auch etwas mit dem Menschen. Doch nun ist der Hund, der bei dir ein neues Zuhause gefunden hat, ein „Rühr-mich-nicht an”. Sobald du die Hand in seine Richtung bewegst, weicht er erschrocken zurück oder schnappt in die Luft.
Warum ist das so?
Insbesondere bei Hunden aus dem süd- und osteuropäischen Ausland kommt es sehr häufig vor, dass diese sich nicht (gern) anfassen lassen. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Hunde, die auf der Straße leben, werden häufig misshandelt. In vielen sogenannten „Tierheimen“, beispielsweise in Rumänien, sind die Hunde eher lästig als willkommen und die Hundefänger sind auch nicht gerade zimperlich.
Es kann aber auch sein, dass die Hunde während der Sozialisierungsphase Menschen und das Anfassen durch Menschen nicht kennengelernt haben.
Das Thema Berührungsangst ist zu komplex, um es hier näher auszuführen. Ich habe darüber jedoch vor längerer Zeit einen ausführlichen Blogartikel geschrieben, den ich dir ans Herz lege, wenn du dich ausführlich darüber informieren möchtest.
Das kannst du tun
Ich möchte dich nicht entmutigen, aber bitte stell dich auf einen längeren Weg ein. Dein Hund hat sehr wahrscheinlich in seinem Leben die Erfahrung gemacht, dass die menschliche Hand ihm nichts Gutes bringt. Diese Verknüpfung muss in kleinen Schritten aufgelöst werden. Hierzu habe ich ebenfalls in meinem Blogartikel Fass mich nicht an, einiges geschrieben.
Was nicht funktioniert
Ich habe vor gar nicht langer Zeit auf Youtube ein Video gesehen, in dem eine Trainerin einen Hund „zwangskuschelt”. Sie hat den Hund so stark festgehalten, dass er keine Möglichkeit hatte, sich aus dieser Umklammerung zu befreien. Zunächst hat der Hund sich gewunden und versucht zu fliehen. Nach einigen Minuten war zu sehen, wie der Hund aufgab und nichts mehr machte. Dieses Ergebnis hat die Dame dann noch mit einem Lächeln auf den Lippen, mit den Worten verkauft: „Jetzt ist der Hund entspannt.“ Doch der Hund war alles andere als entspannt. Er war apathisch, hat sich aufgegeben, weil er gemerkt hat, dass alle Versuche, sich aus dieser Einkesselung zu befreien, ihm nichts bringen. Und by the way: Als Trainerin müsste man den Unterschied zwischen entspannt und apathisch eigentlich erkennen können…
Merkst du, dass ich mich gerade in Rage schreibe, weil mich das Video so sehr geschockt hat? Bitte auf keinen Fall nachmachen. Das ist äußerst unfair und schlicht ausgedrückt Gewalt.
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Dein Hund ist nicht stubenrein
Dein Hund lebt nun schon einige Wochen bei dir und hat sich schon ganz gut eingelebt. Doch eines bereitet dir Kopfschmerzen: Immer wieder hinterlässt dein Hund Pfützen und Häufchen in deiner Wohnung. Oftmals passiert es sogar direkt nach dem Spaziergang. Du fragst dich, warum dein erwachsener Hund nicht stubenrein ist.
Warum ist das so?
Die Stubenreiniheit ist dem Hund nicht in die Wiege gelegt. Er muss sie erst lernen. Hat ein Hund z. B. auf der Straße oder bei Menschen auf einem Hof oder in einem Zwinger gelebt, war Stubenreinheit kein Thema. Manchmal stekcen aber auch gesundheitliche Probleme dahinter.
Das kannst du tun
Auch zum Thema Stubenreinheit habe ich bereits einen Blogartikel geschrieben, den ich dir hier ans Herz legen möchte. Bedenke, dass bei einem erwachsenen Hund, der ständig in die Wohnung pinkelt, die Blase vermutlich nicht trainiert ist, und sich dies mit der Zeit aber gibt. Diese Erfahrung habe ich mit meinem Hund Bobby gemacht, der im Tierheim hauptsächlich im Außengehege war und wo es egal war, wenn’s rauslief.
Was nicht funktioniert
Auf keinen Fall solltest du mit deinem Hund schimpfen oder ihn gar mit seiner Nase in die Hinterlassenschaft stoßen. Das sind Methoden aus Kaisers Zeiten, und sie sind unfair! Wenn ein Malheur passiert, schnapp dir Feudel (= Wischtuch) und Eimer und mach sauber, ohne daraus ein Drama zu veranstalten. Du wirst es überleben, versprochen. 🙂
Dein Hund hat keine Grunderziehung
Du gibst deinem Hund bestimmte Signale wie „Sitz” und „Platz”. Doch er sieht dich nur mit großen Augen an, als kämst du von einem anderen Stern. Auch die Leinenführigkeit klappt mehr schlecht als Recht und an Freilauf ist ohnehin nicht zu denken, weil er nicht zurückkommt, wenn du ihn rufst.
Warum ist das so?
Ich habe mal mitbekommen, wie Tierschützer gefragt wurden, ob der Hund denn auch „Sitz”und „Platz“könne und ob er stubenrein sei… Wenn ein Hund den größten Teil seines Lebens auf der Straße verbracht hat, oder sein vorheriger Mensch sich nicht groß um ihn gekümmert hat, hat er in der Regel auch nichts von dem gelernt, was wir üblicherweise Hunden beibringen. Es war ja bisher auch nicht nötig. Es ist nun deine Aufgabe, die Grunderziehung zu nachzuholen. Keine Angst, es funktioniert auch bei erwachsenen Hunden.
Das kannst du tun
Beginne nun in kleinen Schritten deinem Hund die Dinge beizubringen, die in seinem bisherigen Leben versäumt wurden. Übrigens stehe ich dir gern bei der Eingewöhnung und Erziehung deines Hundes zur Seite. Gemeinsam erarbeiten wir einen Trainingsplan für dich und deinen Hund und ich leite dich in den einzelnen Trainingsschritten an. Hier kannst du dich informieren und einen kostenlosen unverbindlichen Gesprächstermin buchen.
Was nicht funktioniert
Schimpfe nicht mit deinem Hund, nur weil von anderer Seite versäumt wurde, ihm die grundlegenden Dinge beizubringen. Erwarte auch nicht, dass er alles im Schnelldurchlauf lernt. Gehe Schritt für Schritt und in Ruhe vor.
Schlusswort
Abschließend möchte ich noch einmal betonen, dass nicht jeder Hund aus dem Tierschutz einen Berg an Problemen mit ins neue Zuhause bingt. Es gibt auch Hunde, die ein gutes Zuhause hatten und die z. B. abgegeben wurden, weil die Menschen sich aus gesundheitlichen oder finanziellen Gründen nicht mehr um den Hund kümmern konnten. Aber meine Erfahrung zeigt auch, dass die in diesem Artikel beschriebenen Probleme keine Seltenheit sind.
Die gute Nachricht ist, dass man mit Hundetraining, einem strukturierten Alltag, Beschäftigung, die Hund und Mensch Spaß machen sowie Ruhe und Geduld sehr viel erreichen kann. Auch für schwierige Kandidaten ist es möglich, nach einer gewissen Zeit ein ganz normales Hundeleben zu führen.
Schreibe in die Kommentare: Hast du einen Hund aus dem Tierschutz? Gab es Probleme und wie bist du damit umgegangen?
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