„Hunde kann man streicheln, und sie mögen es gerne.“ Das wurde mir schon als Kind erzählt. Meine Kindheit liegt zwar mehr als 40 Jahre zurück, jedoch hat sich an dieser Annahme nichts geändert.
Es gibt Hunde, die sich nicht gern anfassen lassen, ja sogar Angst davor haben, berührt zu werden. Mit einem solchen Hund lebte ich fast neun Jahre lang zusammen. So konnte ich im Umgang und im Training mit Berührungsangst beim Hund reichlich eigenen Erfahrungen sammeln.
Doch was tun, wenn Hunde sich nicht (gern) anfassen lassen? Dies ist der zweite Blogartikel, den ich zu diesem Thema geschrieben habe. Er befasst sich mit dem Management, dem Wohlbefinden und einigen Trainingsansätzen. Wenn du wissen möchtest, welche Gründe es für Berührungsangst gibt, vor welchen Herausforderungen betroffene Hundehalter:innen im Alltag stehen und welche Erfahrungen ich mit meinem Hund Bobby gemacht habe, empfehle ich dir, Teil 1 vorab zu lesen.
Management
Wahrscheinlich hast du den Begriff Management im Zusammenhang mit der Hundeerziehung schon häufiger gehört. Aber was bedeutet Management eigentlich?
Als Management werden Maßnahmen bezeichnet, die auf das Verhalten des Hundes Einfluss nehmen. Der Hund soll mit diesen Maßnahmen in erster Linie daran gehindert werden, unerwünschtes Verhalten zu zeigen. Es geht aber auch darum, potenzielle Gefahren für die die Umwelt abzuwehren.
Nun fragst du dich vielleicht, wozu brauche ich dann noch ein Training? Ich kann doch mit Management verhindern, dass mein Hund z. B. andere Menschen angreift. Das stimmt zwar, kann aber nur eine Übergangslösung sein, denn der Hund lernt dadurch ja keine neuen Strategien, mit einer bestimmten Situation umzugehen. Langfristig kann sich also nur durch eine Kombination aus Training und Management etwas verändern.
Gewöhnung an einen Maulkorb
Wenn dein Hund dazu neigt, zu schnappen oder gar zu beißen, sollte die erste Maßnahme die Gewöhnung an einen Maulkorb sein. Der Maulkorb bietet dir, deinem Hund und eurem Umfeld Sicherheit. Ein Hund, der einen Maulkorb trägt, kann zwar theoretisch noch beißen, aber er kann niemanden verletzen, was schon einmal Druck aus der ganzen Situation herausnimmt. Ein Maulkorb ist nichts Schlimmes! Lass dich da nicht von Vorurteilen irremachen. Ein gut auftrainierter Maulkorb ist vergleichbar mit Brille aufsetzen oder Zahnspange tragen beim Menschen.
In meinem 7-Punkte-Plan für ein erfolgreiches Maulkorbtraining, erkläre ich dir Schritt für Schritt, wie du deinen Hund an einen Maulkorb gewöhnst.
Bereiche abtrennen
In dem Begriff „Berührungsangst” steckt das Wort Angst und das empfindet der betroffene Hund auch, wenn jemand versucht, ihn anzufassen. Es gibt jedoch leider viele Menschen, die ihre Hände nicht bei sich lassen können, wenn sie einen Hund erblicken. Damit Besucher oder vielleicht auch deine Kinder nicht in Versuchung kommen, den Hund zu streicheln, kannst du ihm einen Bereich mit einem Hundegitter oder Kindergitter abtrennen. Das verschafft nicht nur deinen Besuchern, sondern auch deinem Hund Sicherheit.
Alternativ kannst du deinen Hund auch an eine Box gewöhnen. Viele Hunde lieben höhlenartige Liegeplätze. Baue aber auch die Box langsam auf und sperre deinen Hund auf keinen Fall darin ein. Du willst ja nicht, dass er die Box negativ verknüpft.
Führe deinen Hund an der Leine
Bei einem Hund mit Verhaltensproblemen ist es nochmal umso wichtiger, ihn an der Leine zu führen. So kannst du verhindern, dass dein Hund auf andere Menschen zuläuft und diese meinen, ihn dann anfassen zu können. Genau dieses Verhalten hat unser Bobby gezeigt. Er war neugierig auf andere Menschen, aber sobald ihn eine Hand berührt hat, hat er geschnappt. Das muss nicht sein Und kann dir sogar zusätzlichen Ärger einbringen.
Wohlbefinden stärken
Emotionen sind wie eine Waage.
In meiner Tierpsychologie-Ausbildung habe ich gelernt, wie man an einzelnen Verhaltensproblemen arbeitet. Ich habe aber auch gelernt, den Hund und sein Lebensumfeld als Ganzes zu betrachten. Das Training, Berührungen auszuhalten, ist die eine Sache. Die andere Sache ist die Stärkung des Wohlbefindens.
Ich vergleiche den emotionalen Zustand eines Individuums gern mit einer Waage. Ohne Zweifel ist Angst eine negative Emotion, was bedeutet, dass unsere Waage aus dem Gleichgewicht ist. Es gilt jetzt also, ein Gegengewicht zu schaffen. Das Gegenteil von Angst ist Selbstvertrauen.
Selbstvertrauen stärken
Das Selbstvertrauen stärkst du vor allem, indem du deinem Hund möglichst viele Erfolgserlebnisse verschaffst. Dazu gibt es einige Beschäftigungsmöglichkeiten. Lass deinen Hund sich selbst ausprobieren und belohne ihn für richtiges Verhalten so oft wie möglich. Diese Trainingsart nennt sich Shaping. Dein Hund lernt auf diese Weise: „Ich kann machen, dass es Click macht, und Click bedeutet Futter.“ Das Shaping kannst du gut in Kombination mit einem Bodentarget verwenden.
Doch selbstverständlich wirkt sich auch der Umgang mit dem Hund allgemein auf dessen Selbstvertrauen aus. Eine ruhige freundliche Ansprache mit viel stimmlichem Lob tragen enorm zum Wohlbefinden bei.
Auch gemeinsame Interaktionen mit dem Menschen tun dem Hund gut. Ein Schnüffelteppich hat sich schon bei vielen ängstlichen Hunden bewährt. Ähnlich verhält es sich mit Suchspielen, indem du z. B. Futterstückchen ins Gras streust oder ein Spielzeug versteckst.
Rituale geben Sicherheit
Wer kennt sie nicht, die kleinen lieb gewonnenen Alltagsgewohnheiten. Sei es, beim Frühstück einen Podcast zu hören, der Latte Macchiato in der Mittagspause oder ein paar Seiten lesen vor dem Einschlafen. All das gibt uns Stabilität. Bei unseren Hunden ist es nichts anderes. Ein besonderes Leckerchen am Morgen oder ein Suchspiel am Mittag werden schnell auch für deinen Hund zu Gewohnheiten, die für ihn angenehm sind.
Training mit Hunden, die sich nicht (gern) anfassen lassen
Zu einem erfolgreichen Training gehört auch immer eine gute Planung. Es nützt dir nichts, wenn du ins Blaue hinein mal sporadisch hier und da mit deinem Hund ein paar Übungen machst und auf ein Wunder hoffst. Gerade, wenn es um die nachhaltige Veränderung von Verhalten geht, braucht es eine gewisse Struktur. Diese versuche ich dir nachfolgend in Ansätzen an die Hand zu geben.
Es ist wichtig, dass du dir im Training Ziele setzt. Was will ich mit meinem Hund erreichen? Setze ggf. Etappenziele, wenn die Aufgabe zu groß ist. Das macht im Training an Berührungsangst sehr viel Sinn.
Dein Hauptziel könnte sein, dass dein Hund sich streicheln lässt. Doch dazu gehören zwei entscheidende Dinge: Erstens, dein Hund kann Berührungen zulassen. Zweitens: Dein Hund mag die Berührungen und kann sie sogar genießen. Zuerst muss dein Hund natürlich lernen, Berührungen auszuhalten. Darauf aufbauend soll der Hund lernen, Berührungen zu mögen.
Ich helfe dir gern!
Wenn online Training für dich infrage kommt, oder du in Bad Oldesloe oder Umgebung wohnst, helfe ich dir gern, um deine Herausforderungen mit deinem Hund zu meistern. Nimm gern Kontakt mit mir auf, wenn du weitere Informationen wünschst.
Aufbau eines Markersignals
Wenn du bei mir häufiger liest, dann weißt du, dass mein gesamtes Hundetraining auf Markersignalen aufgebaut ist. Den vielen Vorteilen und dem Aufbau des Markersignals habe ich einen ganzen Blogartikel gewidmet. Bitte lies ihn dir durch, um dir hier das nötige Grundwissen anzueignen.
Warum ein Markensignal bei einem Hund mit Berührungsangst? Ganz einfach: Mit dem Markersignal kannst du an den Emotionen deines Hundes arbeiten. Einem Hund, der Angst hat, berührt zu werden, geht es schlecht in dem Moment. Das Markensignal ist positiv verknüpft und wird seine Emotionen zumindest ein wenig verbessern.
Gewöhnung an menschliche Anwesenheit
Ist dein Hund so ängstlich, dass er vor dir wegläuft? Mache zuerst die Übung „Ich bin’s”, die ich dir ebenfalls im ersten Teil vorgestellt habe. Damit schaffst du für deinen Hund eine positive Verknüpfung zu dir oder auch anderen Personen, die mit ihm üben.
Gewöhnung an die Hand
Bei vielen Hunden löst bereits der Anblick einer Hand Unbehagen aus. Hände können eben nicht nur Gutes tun. Der Hund muss zuerst lernen, dass die menschliche Hand nichts Böses tut.
- Begib dich gemeinsam mit deinem Hund in eine ruhige Umgebung, die ablenkungsarm und euch beiden angenehm ist. Das kann z. B. ein Zimmer im Haus oder der Garten sein.
- Deine Hand befindet sich etwa in Brusthöhe an deinem Körper. Nimm sie jetzt minimal nach vorne und bewege sie leicht hin und her.
- Beobachte deinen Hund, wie er auf diese Bewegungen reagiert. Kann er diese gut aushalten, gib ihm sein Markersignal und eine Belohnung.
Erhöhe den Schwierigkeitsgrad für deinen Hund in kleinen Schritten, indem du deine Hand immer weiter in Richtung des Hundes bewegst. Dies wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Du solltest in dieser Phase auch mit Rückschritten rechnen. Lass dich dadurch aber nicht entmutigen und starte wieder neu.
Wenn dein Hund so weit ist, und bei leichten Berührungen nicht gleich davonläuft oder gar schnappt, übertreibe es mit dem Anfassen am Anfang nicht. Wenn dein Hund eine Berührung nur für die Dauer von einer Sekunde zulässt, ist das schon ein großer Fortschritt.
Passives Anfassen
Passives anfassen, so nenne ich es, wenn nicht die Hand zum Hund hingeht, sondern der Hund die Hand mit einem Körperteil oder auch nur mit dem Teil seines Fells zufällig berührt. Dazu ein Beispiel:
- Du und ein Hund, ihr sitzt gemeinsam auf dem Boden.
- Lege deine Hand auf den Boden, zwischen dich und deinen Hund.
- Nimm mit der anderen Hand ein Futterstück und locke ihn damit über die am Boden liegende Hand nach unten, sodass er mit einem Teil seines Körpers deine Hand berühren muss, um an das Futter zu kommen.
Du kannst dich auch neben deinen Hund legen, wenn er es zulässt, dabei streckst du deinen Arm in Richtung deines Hundes. Wenn dein Hund sich bewegt und dabei deine Hand berührt, lobe ihn mit ruhiger stimme.
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Streicheln, aber richtig
Vielleicht bist du über diese Überschrift ein wenig verwundert. Eine Anleitung zum Streicheln? Ich kann dich beruhigen. Es wird keine Anleitung, aber gerade mit einem berührungsängstlichen Hund tust du gut daran, ein paar Dinge zu beachten.
- Berührungen auf dem Kopf und von oben ausgeführt, finden die meisten Hunde unangenehm.
- Wenn dein Hund Berührungen zulässt, überfordere ihn nicht. Fasse ihn kurz an, am besten zunächst an der Schulter oder im Brustbereich.
- Führe die Berührungen zunächst mit dem Handrücken aus.
- Halte die Hand zunächst still und steigere dann in ruhige, streichende Bewegungen
- Vermeide es, den Hund „durchzurubbeln“ oder gegen den Strich des Fells zu streichen.
Schlusswort
Ich werde oft gefragt, wie die Prognosen stehen, dass ein Hund, er Berührungen nicht mag oder Angst vor ihnen hat, sich eines Tages streicheln lässt, wie die meisten ihrer Artgenossen. Dazu kann ich leider keine allgemeingültige Aussage treffen, da jeder Hund seine eigene Persönlichkeit hat und seine individuellen Erfahrungen mitbringt. Bobby z. B. hat sich von mir nach einer gewissen Zeit gern streicheln lassen, von meinem Mann bedingt und von Fremden gar nicht. Ich hatte sowohl Kunden, deren Hunde sehr schnell Fortschritte machten als auch solche deren Hunde sich auch nach intensiver Arbeit nicht haben anfassen lassen.
Wenn du einen Hund hast, der sich nicht (gern) anfassen lässt, solltest du jedoch nichts unversucht lassen. Mit den von mir in beiden Artikeln beschriebenen Tipps und Infos solltest du zumindest kleine Fortschritte erzielen. Und wenn du gar nicht weiter kommst, weißt du ja, wo du mich findest.
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